Ausstellung um den Roman David Friedrich Weinlands beschert
dem Biberacher Braith-Mali-Museum Besucherrekorde
Rulaman, der steinzeitlichen Heldenfigur des
schwäbischen Autors David Friedrich Weinland, ist eine Ausstellung
im Biberacher Braith-Mali-Museum gewidmet. Kinder und Jugendliche sind
begeistert von dieser Art der Geschichtsunterrichts.
Von Rüdiger Bäßler
Weinland und seinen Rulaman kennen Kinder heutzutage kaum noch. Das
war früher anders, vor allem unter Bewohnern der Schwäbischen
Alb, von denen schon mal spöttisch behauptet wurde, sie wüssten
nur von drei Büchern zu berichten: der Bibel, dem Sparbuch und
eben Rulaman. Es ist ja auch einige Zeit vergangen seit Erscheinen der
ersten Ausgabe im Jahr 1878, also vor genau 125 Jahren. Heute wird Weinlands
Buch gern „der Harry Potter des 19. Jahrhunderts" genannt,
aber deswegen ist es trotzdem längst kein Bestseller der Jugendliteratur
mehr. Umso erstaunlicher, dass die Biberacher Ausstellung seit der Eröffnung
vor gut vier Wochen einen Zulauf erfährt, wie ihn sich niemand
vorgestellt hat. „Wir werden gestürmt", sagt der Museumsleiter
Frank Brunecker. Gestürmt vor allem von Schulklassen unter Anführung
begeisterter Lehrer, die sich im Gegensatz zu vielen ihrer Schüler
in allen Einzelheiten an die Abenteuer des Jungen im Rentiergewand erinnern.
Mehr als 3500 Besucher sind bisher gekommen, schon jetzt lasse sich
absehen, so Brunecker, dass dies „die erfolgreichste Sonderausstellung
wird, die in der hundertjährigen Geschichte des Biberacher Museums
je gemacht wurde". Bis zu ihrem Ende am 22. Februar kommenden Jahres
sind alle Termine für Gruppenführungen ausgebucht.
Ihre Anziehungskraft unter Kindern gewinnt die Schau indes nicht etwa
durch die Kraft des in besonderer Weise präsentierten gedruckten
Wortes, sondern durch Totenschädel aus der Eiszeit, malerisch nachgebildete
Figuren aus dem Rulaman oder das vom Aufsichtspersonal kontrollierte
- Spiel mit dem Feuer. Im Hof des Museums dürfen Kinder versuchen,
auf steinzeitliche Weise Brennmaterial zum Glimmen zu bringen. Direkt
im Ausstellungsraum lässt etwa die Museumspädagogin Charlotte
Mayenberger Schulkinder aus Rehknochen einen „Pfriem" schnitzen.
Mit so einem spitzen Keil haben die Steinzeitmenschen vor mehr als 30000
Jahren Löcher im Leder vorgestanzt, um danach die Kleidung mit
Knochennadeln leichter zusammennähen zu können. Selbst schwer
erziehbare Kinder sind bei dieser Art des anderen Unterrichts begeistert
dabei. Ob man den Rulaman-Roman kennt, der in den Höhlen, an den
Seen und Flüssen der Schwäbischen Alb spielt, ist deswegen
auch gar nicht so wichtig. Er dient ja eigentlich nur als Vehikel für
anschauliche und deswegen faszinierende Geschichtskunde. In einem Film,
der in der Ausstellung läuft, ist beispielsweise zu sehen, wie
Experimentalarchäologen mit Stein- und Knochenwerkzeugen einen
Elch zerlegen. Eine blutige Sache ist das. Aber Museumschef Brunecker
hat auch den Anspruch, Verklärungen im Romantext rechtzurücken.
„Es fehlt im Buch an Blut, Schweiß und Tränen. Das
ist einer unserer Kritikpunkte", sagt er. Ein anderer sind die
rassischen Bezüge Weinlands, des Darwinisten, der die Stämme
der „Kalats" und der „Aimats" in ihrem Vernichtungskampf
gegeneinander als Untermenschen darstellt. „Das Buch kann man
der Jugend heute nicht mehr unkommentiert anbieten", glaubt Brunecker.

Sie tut ja nix: Bei der alten Parre, der Furcht einflößenden
Großmutter Rulamans,
schauen die jüngeren Besucher genauer hin. Foto Kloos-Wahl
Der stumme Star der Ausstellung ist dennoch eine lebensgroße Figurine
aus der Romanvorlage. Es ist die „alte Parre", eine Schamanin
mit stechendem, finsterem Blick, schlohweißen Haaren, die bis
fast auf den Boden reichen, einem umgehängten weißen Wolfsfell
und einem Knotenstock in der runzeligen Hand. Mit großen Augen
stehen die Kinder in Biberach vor der Figur, deren unheimliche Wirkung
durch gezielte Beleuchtung, durch das Spiel von Hell und Dunkel noch
verstärkt wird. Dass die Menschen der Steinzeit Riten ausgeführt
und sich teilweise gezielt in Trance versetzt haben, darüber klärt
die Ausstellung ebenfalls auf. Allerdings sind kleinere Kinder beim
Anblick der „Parre" schon weinend aus dem Museumsgebäude
gelaufen, sagt Brunecker bedauernd. Ein gewisses Alter empfiehlt sich
also für die Heranführung an die Biberacher Ausstellung. Das
Leben in der Steinzeit mit seinen rohen Gebräuchen ist dann doch
nichts für allzu zarte Seelen.
„Rulaman",
Braith-Mali-Museum Biberach, noch bis 22. Februar 2004.
Öffnungszeit dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und 14 bis
17 Uhr,
donnerstags bis 20, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr.